Dr. Sabine Runde zur Installation „von Häuten und Hüllen“ anlässlich der Ausstellung „corporal identity“ 2003/ 2004 in Frankfurt/ Main und New York

Immer wieder wählen Künstler Körperphänomene als Ausgangspunkt ihres Gestaltens, um Empfindungen im Gegenbild zu selbst erlebten Realitäten eine Form zu geben. Die Epidermis, die physische Grenze zwischen Körper und Umwelt, als komplexes Sinnesorgan des Körpers, eignet sich zur Projektion künstlerischer Reflexion menschlicher Befindlichkeit. Wird durch sie doch den Körper umgebende Luft und jede Berührung wahrgenommen. Sie verrät das Alter und oft auch den Gesundheitszustand eines Menschen und fungiert gleichermaßen als Schutz wie als nach innen und außen durchlässige Membran. Metaphorisch setzt Christiane Budig das transparente, zerbrechliche Material Glas als Außenhaut dafür ein, eine Form zu definieren, deren Inneres gespannte Leere erahnen lässt. Die seltsam zugerichteten Körper werden in ihrer gereihten Vervielfältigung konsumtiv angeboten.

 

 

Dr. Björn Egging, Direktor der Feininger Galerie zur Installation „HaltLos“ 2006

Christiane Budig hinterfragt in ihren Installationen den widersprüchlichen Charakter des Materials Glas. Spezifische Eigenschaften wie Festigkeit, Sprödigkeit und Fragilität baut sie ihren plastischen Objekten ein, die mit Stoff, Metall oder Gummi kombiniert werden können. Die Arbeiten bekommen dadurch eine expressive Eigenwilligkeit.

Die Komplexität des Materials Glas hat im Titel der Arbeit „HaltLos“ eine Entsprechung. Bedeutungen wie „ohne Halt“ und „gegenstandslos“ werden durch die im Begriff versteckten Aufforderungen Halt! und Los! erweitert. Die Glasfüße mit den gekrümmten Zehen verweisen durch die Bandagen aufs Ballett, das dem Tänzer und der Tänzerin bei aller Grazilität große körperliche Belastungen abverlangt. Auch im normalen Leben tragen einen die Füße in „kleinen Schritten“ durchs Leben. Die gravierten skripturalen Zeichen mögen als zivilisatorische Markierungen den sozialen Raum versinnbildlichen, in dem das Individuum nicht ohne Widerstand seinen persönlichen Weg findet.

 

 

Dr. Ines Engelmann zur Stipendiatenausstellung „48 Karat“ der Kunststiftung Sachsen- Anhalt 2008

Schon seit längerem nutzt Christiane Budig das Material Glas für ihre plastischen Ideen und testet seine Bearbeitungsmöglichkeiten und -grenzen aus. Durch Kombination mit anderen Werkstoffen wie Stoff, Metall, Asphalt oder Gummi erzielt die Künstlerin überraschende Wirkungen – in der hier ausgestellten Arbeit mit besonderen Lichteffekten. Die Sprödigkeit und Fragilität des Glases, seine künstlerisch wohl kalkulierte Lichtbrechung, -durchlässigkeit oder -undurchlässigkeit werden in ihren Arbeiten häufig zu Metaphern menschlichen Seins, zu Metaphern der Verletzbarkeit, Öffnung, aber auch Abgrenzung. Sie reizt das Einfache, denn oft ist gerade das, was einfach erscheint komplex, sie reizt das fast Unsichtbare, das, was leicht übersehen wird, und dennoch im Unbewussten verarbeitet wird, sie reizt die Stille, der ruhige Augenblick, indem sie – zurückgeworfen auf sich selbst – den eigenen Puls hört, sie reizen Bilder, die Assoziationen wecken und die Phantasie beflügeln: Die Kreisläufe, deren Verwobensein das Leben zeichnen … ganz einfach und hochkomplex.

 

 

Reflexionen“ – Gedanken zum künstlerischen Schaffen von Christiane Budig

Viele meiner Arbeiten widmen sich dem Thema Erinnerungen. Reale und erfundene Geschichten, welche zum Teil Erinnerungslücken ausschmücken, bestimmen meine Intension des künstlerischen Schaffens. Die Arbeiten speisen sich aus dem Verborgenen, aus den Quellen der persönlichen Empfindungen und den Tiefen menschlicher Existenz, mit all seiner Tragik und Freude. Die Auseinandersetzung mit sich selbst im Bezug zur Umwelt bildet also den inhaltlichen Rahmen meiner Arbeiten.

Formaler Ausgangspunkt ist dabei oft der Körper, welcher in den Objekten im wörtlichen Sinne eine Rolle „spielt“, sei es als Abdruck oder Körperfragment.

Die Verwendung des Materials Glas als plastischer Stoff bezieht sich auf dessen ambivalente Eigenschaften: Fragilität und Festigkeit, Verletzlich- und Verletzbarkeit, formale Schroffheit und organische Rundungen, samtige Oberflächen oder glänzende Verführungen. Die Auseinandersetzung mit dem nicht leicht zu bändigen Material reizt mein Interesse am Prozess, der das Produkt bestimmt. Geplantes und Unvorhersehbares müssen einen Kompromiss finden, ganz wie im wirklichen Leben.

Im Gegensatz zu den „poetisch- schlichten“ Glasobjekten und Installationen wimmelt es in den Grafiken nur so von verborgenen Details, fast mit einer barocken Anmutung. Der Betrachter wird in die „Verstrickungen“ mit dem suchenden Auge gezogen – scheinbar Erkanntes entzieht sich im nächsten Augenblick, ganz wie in einem Suchbild. Alles scheint im Wandel zu sein – nichts bleibt so wie es war.

Ausgangspunkt der Grafiken sind Frottagen von alltäglichen Oberflächen verschiedener Art, wie Malbretter, Schreibtische, Küchenbretter oder Tapeten. Erst im Atelier, an der Staffelei, entwickeln sich allmählich aus den unendlichen Linien und Punkten ganz eigene Welten die ihr Geheimnis nur scheinbar enträtseln lassen.

Allen Arbeiten gemeinsam ist der erforderliche konzentrierte Blick, der hinter dem fast Übersehbaren das Wesentliche erahnen lässt.

Der Fokus richtet sich auf das Flüstern, laut und bunt schreit hier nichts.